Die wirklich wichtigen Dinge fallen meinem Großen gerne auf
der Rückbank beim Kindergartentransport ein. Und erwischen mich dann manchmal
recht kalt – vor allem, wenn man es eilig hat, die Fahrt nur ein paar Minuten
dauert und man aus dem Bauch heraus eine sinnige Antwort geben muss.
„Wann weinen Erwachsene?“ kam da also letztens von hinten.
Meine Antwort war, dass es ganz viele Gründe gibt. Weil man sich wehgetan hat,
weil man traurig ist oder wütend – aber manchmal auch, weil man sich ganz doll
freut. Und genau das war der Punkt, warum mir diese Frage etwas zusetze und mir
auch nicht mehr aus dem Kopf ging. Weinen vor Freude. Wenn man sich überlegt,
wann man selber das letzte Mal geweint hat, fällt mir vor allem ein ganz besonderer
Moment ein.
Vor fast genau einem Jahr lagen nach einer kurzen, schweren
Krankheit, einem langen Dauerschlaf und dem Kampf mit 2 multiresistenten
Krankenhauskeimen ein paar sehr schwierige Wochen hinter mir und meiner
Familie. Und ich wollte nur eines: so schnell wie möglich meine Kinder sehen.
Ein unfassbarer Instinkt, der mich da ergriff...aber ich konnte mir nichts
Dringlicheres vorstellen. Dank dem Einsatz von Ärztin, Personal und
Hygienebeauftragtem in dem Krankenhaus fand man schließlich einen Weg und ich konnte nach über einem Monat (mit Schutzkleidung verhüllt) meine Kinder sehen. Mein Großer wartete freudig und
neugierig auf mich und strahlte – und was machte ich? Heulen. Wie ein
Schloßhund. Ich konnte es gar nicht kontrollieren. Auch nicht, als ich die
Verunsicherung in seinem Gesicht sah. Warum weint jetzt die Mama? Wenn wir uns
doch alle freuen?
Genau deswegen: weil ich mich so freute. Na gut, und
Erleichterung war dabei, Dankbarkeit...im Grunde kann man es doch oft gar nicht
so genau benennen. Überforderung ist bestimmt auch oft ein Grund oder
Verzweiflung, Hilflosigkeit... Ich habe
gelesen, dass das Weinen an sich, insbesondere aber das „emotionale Weinen“ ein
großes Rätsel ist. Allein das finde ich
faszinierend. Das Weinen beim Menschen (Tiere weinen übrigens nicht) ist also ein
Rätsel, genauso wie das Schnurren der Katze.
Wissenschaftler nehmen an, dass Weinen (neben dem Grund der
Reinigung des Auges von Fremdkörpern, was aber auch als umstritten gilt), einen
beruhigenden Einfluss auf den Menschen hat. Über die Tränen werden Hormone freigesetzt,
die wie ein natürliches Beruhigungsmittel wirken. Außerdem schwemmt man
Schadstoffe raus – so dass man gemeinhin sagt, dass Jemand der weint, seltener
krank wird. Auch ob man sich jetzt erleichtert fühlt danach, oder nicht...Stress
und Anspannung lösen sich mit den Tränen – und deswegen dürfen natürlich auch
Jungs & Männer weinen.
Für Kinder (und manche Erwachsene) gilt übrigens auch noch
das aus Säuglingszeiten beibehaltene Verhaltensmuster: Weinen = Aufmerksamkeit.
Für einen Säugling lebensnotwendig, für sprachlich versierte Kinder ein schönes
Druckmittel und bei Erwachsenen ja nun wirklich überflüssig (nicht das Weinen
an sich, das Weinen um Aufmerksamkeit zu bekommen).
Mit meinem Großen habe ich im letzten Jahr (ausgehend von
der Situation im Krankenhaus) öfter mal über das Thema Weinen gesprochen. Und
ich kann mich jetzt ja nicht so ganz dem Eindruck erwehren, dass er selber sehr
wohl zwischen gespieltem Trotzheulen und echtem „emotionalen“ Weinen
unterscheidet. Auf meine Gegenfrage hin, wann denn Kinder weinen würden, sagte
er nämlich: „Nur, wenn sie sich dolle weh getan haben“.
PS: Kein besonders fröhlicher Eintrag, aber wie sollte er das
sein, beim Thema Weinen? Dennoch eine lustige Anekdote. Mir ist nämlich noch
ein Schlüsselmoment einfallen, wann ich weinen musste. Dazu muss man sagen,
dass ich nicht besonders nah am Wasser gebaut bin und zum Beispiel nicht vor
Rührung schluchzend im Kreissaal Sohn 1 oder Sohn 2 im Arm hielt. Aber, wer erinnert sich an die „Du bist Deutschland“-Kampagne?
Da sitze ich also hochschwanger mit dem Großen im Bauch auf dem Sofa und
bekomme diesen Spot zu sehen
Entschuldigt – welche werdende Mama mit Wunschkind im Bauch
bringt da nicht in Tränen aus? (und schön find ich die Aussagen übrigens heute
noch).
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